Endometriose: ein Grund für eine Operation oder doch lieber nicht? 

Viele Leute haben die Idee, dass am Anfang der Diagnosestellung einer Endometriose eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) steht. Wie sieht es damit aus? Ist eine Operation wirklich (in jedem Fall) nötig? Und wenn operiert wird, dann ist es eine wichtige Frage, zu klären, wie und was operiert werden soll. Insbesondere bei der Endometriose gibt es nämlich keineswegs „die eine Operation“ oder „Operationsmethode“. Es ist extrem wichtig, zu beachten, welche Beschwerden vorliegen und welches Ziel mit einer Operation erreicht werden soll. Dazu werde ich mehr erläutern im Abschnitt darüber, wie radikal operiert werden soll.

Was heisst radikal operieren?

Die Geschichte der operativen Therapie der Endometriose ist eher jung. Erst Anfang der 1980er-Jahre hat Kurt Semm die heutige Laparoskopie begründet. Und dann hat es noch mindestens 20 Jahre gedauert, bis diese von den Gynäkologen auf eine nützlicher Art und Weise aufgegriffen wurde. Auch heute hat die Laparoskopie zum Teil noch einen schwierigen Stand. Insbesondere Operateure, die ihr Handwerk noch am offenen Bauch (d.h. operieren mit Bauchschnitt) gelernt haben, tun sich zum Teil schwer, die Laparoskopie zu mögen. Jüngere Generationen lernen von Anfang an die Laparoskopie und sind auf eine andere Weise damit vertraut – dafür fehlt dieser Generation dann manchmal die Übung mit offenen Bauchoperationen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass auch die Laparoskopie für die Endometriose nicht auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Die geübtesten Operateure in der Gynäkologie waren häufig diejenigen, welche in der gynäkologischen Königsdisziplin, der gynäkologischen Onkologie (d.h. die Behandlung von bösartigen Tumoren in der Gynäkologie) tätig waren. Und in der onkologischen Chirurgie gilt es, bösartige Tumoren möglichst vollständig zu entfernen, auch wenn dabei „Kollateralschäden“ entstehen. Dieses Vorgehen nennt man „radikal operieren“. Radikal heisst also, dass man die Priorität klar darauf legt, einen Tumor möglichst komplett zu entfernen und die Nebenwirkungen durch Schädigung umliegender Organe dafür in Kauf nimmt. Das macht in der Onkologie auch durchaus Sinn, denn es geht primär um das Überleben.

Die gynäkologisch-onkologischen Operateure haben als geübte Operateure naheliegenderweise auch Endometriose operiert. Dabei wurde der Grundsatz der radikalen Entfernung einfach auf die Endometriose übertragen. Noch vor 10 Jahren bestand klar die Lehrmeinung, eine Endometriose müsse möglichst in einer Operation möglichst vollständig entfernt werden. Es gab auch das Konzept der diagnostischen Laparoskopie zur Diagnosesicherung, dann eine Phase mit einer medikamentösen Unterdrückung des Zyklus um die Endometriose zu hemmen und dann eine erneute Operation, um die radikale Entfernung vorzunehmen.

Nun geht es bei einer Endometriose-Operation aber nicht um das Überleben, sondern darum, primär ein Schmerzproblem zu lösen und die Lebensqualität zu verbessern. Eine radikale Vorgehensweise stellt die Lebensqualität hinter das Überleben. Da die Situation bei der Endometriose anders ist, lässt sich auch das Konzept der möglichst radikalen Operationstechnik nicht einfach auf die Endometriose übertragen. Das ist sehr wichtig zu verstehen!

Radikal operieren oder doch nicht?

Wenn es um die Operationsplanung bei einer Endometriose geht, können wir also nicht einfach sagen, wir entfernen alles so radikal wie möglich. Durch eine radikale Entfernung können wir Probleme verursachen, die nachher für die Lebensqualität im Extremfall mehr Einschränkung mit sich bringen als die zuvor bestandene Endometriose gebracht hatte. Dieser Punkt ist insbesondere wichtig, wenn es um Eingriffe am Darm geht. Entfernung von Endometriose am Darm hat eine höhere Wahrscheinlichkeit mit Komplikationen verbunden zu sein als an anderen Stellen. Eine radikale ausgedehnte Entfernung von Endometriose im kleinen Becken (also in der Umgebung von Gebärmutter, Harnblase, Harnleitern und Enddarm) kann zudem die Nervenversorgung der Harnblase und des Enddarms derart schädigen, dass die Entleerung von Urin oder Stuhl später nicht mehr ganz richtig funktioniert – und zwar unter Umständen dauerhaft.

Wie kann man solche Probleme vermeiden? Wenn es um die Operation von Endometriose geht, darf nie vergessen werden, dass das oberste Ziel ist, die Lebensqualität zu verbessern. Es ist daher für die Operationsplanung extrem wichtig zu wissen, welche Beschwerden bzw. Schmerzen vorhanden sind. Es ist insbesondere in vielen Fällen nicht sinnvoll und nicht notwendig, einen Endometrioseherd am Darm zu entfernen, weil einzelne solche Herde häufig keine Beschwerden oder Probleme machen. Es ist meistens sinnvoll, zuerst die übrigen Endometrioseherde zu entfernen, um dann zu sehen, ob der Rest am Darm tatsächlich noch Beschwerden macht. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, kann man dann den Darmeingriff in Ruhe später machen (was unter Umständen auch für die Wundheilung und für das Risiko von Komplikationen vorteilhaft ist).

Im Gegensatz zu bösartigen Tumoren macht es bei Endometriose also meistens keinen Sinn, möglichst radikal zu operieren.